![]() TIA steht für This is Africa, eine oft unbedacht benutzte Abkürzung, da diskriminierend, nicht immer, mehrheitlich jedoch mit gering schätzendem Hintergrund versehen ist. Eine Aussage, die mit TIA beginnt oder endet, vermittelt meistens ein herabwürdigendes Image mit Bezug auf die Unfertigkeit dieses Kontinents. Bösartig gemeint sind jene TIA Kommentare, die auf Menschen bezogen nach gebieterischer Unterdrückung lechzen. Früh morgens im Garten, wenn aus der Sonne diese besondere Wärme zu strahlen beginnt, denke ich oft - This Is Africa. So wird TIA zweiseitig benutzt, für das Gute und das Böse. Dann gibt es auch die Grauzone, eher schwierig zu erkennen oder gar zu definieren - anerkennend freundlich oder aggressiv herzlos. Zartes Fleisch ist so ein TIA Umstand aus der Grauzone. Diejenigen, die gerade an Brasilien und Thailand denken, na ja, ihr müsst euch zu denen gesellen, die das TIA Konzept offensiv benutzen. Wer hingegen an Fleisch aus der Küche denkt, liegt schon besser, wenn auch zartes Fleisch, gut abgehangenes Rindfleisch zum Beispiel, hier zu Lande nicht leicht zu finden ist. Eigentlich wieder so ein TIA – die haben ja gar kein zartes Fleisch. Die Hintergründe sind zahlreich und verknöpft mit Eigenheiten aus mehreren Lebensbereichen, man könnte ein Buch darüber schreiben. So gesehen ist zartes Fleisch in Kenia kein Thema. Also ich mag zähes Fleisch nicht. Was tun? Vegetarier werden? Den Mittelweg wählte ich. Man erstehe vom Butcher, es gibt hier tausende davon in diesen kleinen Kabäuschen, Fleisch von der Kuh. Er schneidet die Weichteile, die es eben nicht sind, umgänglich staff meat genannt, von einer an einem Haken hängenden Seite herunter. Übrigens stammt der Ausdruck staff meat von den Engländern, die zur Kolonialzeit einen Unterschied zwischen Fleisch für die Angestellten und die Herren machten. (Irgendwie verfolgt mich der Ausdruck TIA). Moving on. Vom grocey store nebenan kaufe ich gleich noch ich eine unreife Papaya, grasgrün und hart muss sie sein. Zu Hause schneide ich das Fleisch wie für ein Züricher Geschnetzeltes, dünn halt, das Verfahren funktioniert so am besten, da der Wirkstoff, das Papain, der Zartmacher allseitig und durchgehend einwirken kann. Fleisch und Papaya, die schon mit den Messern des Blenders Bekanntschaft hatte, besonders Schale und Samenkerne, gebe ich alsdann in einen Plastiksack. Dann ab in den Fridge ..... eben nicht. Die Enzyme der Papaya wirken in der Kühle nicht, auch sie brauchen Wärme. Einfach im Schatten für ein paar Stunden liegen lassen, vielleicht einige Male drehen, genügt. (Hund und Katz fern halten!) Nach dieser Behandlung ist das Fleisch zart. Was bleibt ist das Zubereiten, entweder in der Pfanne für ein Geschnetzeltes oder auf dem Grill nach dem Marinieren - schon wieder im Plastiksack. Ah ja, da war noch etwas. So butterweich wie ein US beef ist das Fleisch schon nicht, muss ich zugestehen. Auch fehlt das Antiobiotika und gewisse Rückstände der Fütterung, da der Ochse ja nie auch nur einen Schritt tut. Aber wer isst schon solches Fleisch mit solch einem background? Ups, jetzt hab ich doch tatsächlich das TIA umgedreht in .... na was denn? Ihr wisst schon was ich meine.
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![]() Mein Vater, Max, war damals Vormundschaftspräsident im Dorf. Er stand dem Waisenamt vor, eine Behörde, die gestrandeten Menschen mit Beistand unterstützen. In dieser Eigenschaft musste er (man merke das Wort muss) oft auch Gestrandete auflesen (wieder so ein Wort, auflesen). Vor allem in der Vorweihnachtszeit häuften sich solche Episoden. November und Dezember waren ungastliche Monate, nass und kalt, neblig und trüb, mit Emotionen beladen, die bestimmend auch auf die Gemütsverfassung von Strandgut wirken. Strandgut, ein hartes Wort für Menschen die alles, vor allem Familie und Freunde, auf dem Weg zum Strand, aus der entgegengesetzten Richtung kommend jedoch, irgendwie verlegt haben. Aber das war genau die Bezeichnung die mein Vater für solche Findlinge benutzte. Strandgut. Vater weckte mich oft mitten in der Nacht mit der Bitte ein Mündel in Not irgendwo abzuholen und ins Heim zurück zu bringen. Der Fritzli war so ein Kandidat. Im Bahnhofbuffet, ein Restaurant das bis nach dem letzten Zug geöffnet hatte, sass der Fritzli also an besagtem Abend beim Bier. Mit der Einfahrt des letzten Zuges klingelte bei uns zu Hause das Telefon. Der Wirt bestellte meinem Vater der Gestrauchelten abzuholen, da dieser offensichtlich Mühe mit dem Gleichgewicht bekundete. So fuhren wir beide in meinem Simca Ralley, mein Stolz damals, vorne zwei Schalensitze, zum Bahnhofrestaurant, um den Fritzli auszulösen. Wortlos versuchten wir beide in der Kälte das Kommenden zu erkennen und zogen an unserer Abhängigkeit, er an der Tabakpfeife, ich an einer Zigarette. Eine Komplikation war, dass der Fritzli ausser meinem Vater niemand hatte. Es gab zwar entfernte Verwandte im Dorf, aber die wollten nichts von ihm wissen. Geld hatte er auch keines, die Gemeinde kümmerte sich um die Heimkosten, die Eskapaden im Bahnhofbuffet nicht inbegriffen. Nun, dem Fritzli fehlte auch noch eine andere Eigenschaft, er konnte mit Alkohol nicht umgehen. Erst lustig, dann traurig und auch aggressiv, so etwa die Auswirkung des übermässigen Bierkonsums. Der Wirt sagte ihm jeweils nach dem letzten Zug, dass jetzt der Vormund komme und ihn abholen werde, was ihn zum Weinen brachte und so trafen wir ihn immer, gebrochen auf dem Stuhl am runden Tisch. Wir bezahlten die Zeche und forderten ihn auf zusammenzupacken. Aber es gefiel dem Fritzli ausgezeichnet im Buffet und ins Heim zurück gehe er sowieso nicht. Irgendwie bugsierten wir ihn aus dem Restaurant ins Auto, wo er drei Sachen auf einmal machte. Weinen, Kotzen und Urinieren. Ich öffnete die Fenster und fischte eine Zigarette aus der Box, während Vater die Pfeife neu stopfte, dabei beruhigend dem Fritzli zusprach. Im Heim fanden wir jeweils alle Türen verriegelt und der Delinquent verweigerte das Aussteigen sowieso. Gemeinsam klopften wir dann den Heimleiter aus dem Bett, der gleich sein Lästermaul auspackte, um den immer wieder ausreissenden Fritzli zu verfluchen, was meinen Vater veranlasste entschuldigend als Advokat für den stinkenden Fritzli aufzutreten. Er sei halt ein Quartalsäufer und hätte sonst nichts in seinem Leben, da muss man mal ein Auge zudrücken. Dieses Argument weckte den Heimleiter endgültig auf. Ein schöner Vormund sei er, der solche Sachen erzähle. Mein Vater war eben, in Frieden möge er ruhen, ein sozial denkender Mensch. ![]() Oft sieht man hier in Kenia Menschen auf einem Gepäckträger sitzen. Das kann auf einem Fahrrad oder einem Motorrad sein, jedenfalls eine Form von günstigem Weiterkommen. Eigentlich erlaubt diese Erkennung keine Story, da auf den ersten Blick keine Besonderheiten zu erkennen sind. Besonders im Rushhourverkehr einer afrikanischen Grosstadt gehört diese Art der Fortbewegung zu einer der zügigsten. Sei es das Boda- Boda (Fahrrad) oder das Bajiaj (Motorrad), für Kurzdistanzen bevorzugen Menschen diese konventionelle Art. Unbequem ist das Sitzen auf dem gepolsterten Metallgestänge nicht, ich habe es ausprobiert, beide Methoden, die Damenart und die Herrenart. Der Vergleich mit dem Reiten im Damensattel liegt nahe. Soweit, so gut. Das „Reiten“ auf einem Stahlesel ist praktisch und annehmbar. Eine Erfahrung aus meiner Jugend, auf dem Rücksitz des Motorrades meines Freundes, er war Koch und hatte nachmittags immer frei, von Näfels, hinauf zum Obersee, bemächtigte sich meiner und als Folge davon vermochte ich das Thema Damensattel nie abzuschliessen. Weitere Beobachtungen waren angebracht, da die eine Sache, das Ding mit dem Gleichgewicht mit unbeantworteten Fragen aufwartete. Die Fahrer, ich habe bisher nur zwei Fahrerinnen gesehen, halten das auf nur zwei Punkten gelagerte Gefährt, dank diesem Labyrinth im Innenohr, im Gleichgewicht. Sitzt nun noch jemand hinten drauf, muss er, oder sie, auch auf allfällige, nicht akkurate, Gewichtsverlagerungen von hinten reagieren. Keine Schwierigkeit – ist leicht machbar. Meine wiederholten Beobachtungen zeigten allerdings eine bestimmte Eigenheit auf, ein Unterschied im Empfinden des Gleichgewichts. Man würde meinen, dass an einem Passagier im Damensattel, in einer engen Kurve, Anzeichen einer Störung zu erkennen sein sollten, einfach bezogen auf die Tatsache, dass die Sitzart unzuverlässig erscheint. Dem ist aber so nicht. Eine Afrikanerin im Damensattel lässt nie eine Unsicherheit erkennen, wogegen eine weisse Frau den Eindruck erwecken lässt, dass sie darauf aus ist, das Gefährt zu Fall zu bringen. Mehr noch, die Weisse klammert die eine Hand an den Sattel und die andere hinten ans Polster, während die Afrikanerin, die Hände frei, sich um die Sicherheit der Handtasche kümmert. Nach intesivem, langjährigem Beschauen dieser Eigenheit fragte ich eines Tages einen der Fahrer nach dem Grund. «Yeye anakaa kama mawe.» Sie, die Weisse, sitzt dort wie ein Stein, antwortete er mir. Natürlich konnte ich es dabei nicht belassen. Die Erklärung muss im Vestibularapparat liegen, das heisst, nicht im Organ selbst, aber in der nervlichen Vernetzung. Mir scheint, dass bei der Übermittlung von den Sensoren beim Afrikaner eine gewisse Trägheit vorhanden ist. Mit dieser Erkenntnis verwandelte ich mich in einen Stein und setzte mich zur Probe auf den Damensattel, erhielt so auch gefühlsmässig die Bestätigung meiner Annahme. Ich (sogar als Stein) reagierte viel schneller zwar auf Änderungen als der Fahrer, einen kleinen Zeittraum der Ungleichheit kreierend. Wir Weissen haben halt keinen Rhytmus in den Knochen. Ich bin überzeugt, dass auch diese Erkennung mit dem Gleichgewichtssinn zusammen hängt. Man muss nur hinschauen, dann sieht man es. Ach ja, mein Freund, der Küchenchef, sagte mir damals am Obersee. «Du hoggsch wie ‘en Stei uf mim Bogg.» ![]() Ein Freund von mir, Jay ist sein Name, ungefähr ein late Zwanziger oder ein early Dreissiger, erzählte mir kürzlich seine Lebensgeschichte. Mühe hatte ich an diesem Tag mit dem Einschlafen, da die reale Lebensbrutalität, seine Ansicht unserer Welt, eben solches verhinderte. Mein letzter Gedanke vor dem unruhigen Schlaf war - ich werde seine Geschichte niederschreiben und veröffentlichen. Später erzählte ich ihm von diesem, meinem Plan, er war hell begeistert. Wir setzten uns zusammen und er gab mir die Details. Irgendwann, nach etwa dreissig Seiten, konnte ich nicht mehr. Irgend etwas in mir verweigerte das Auffinden von Vokabeln, um diese Misere, sein Leben zu beschreiben. Schlimmer noch ist die Erkenntnis, dass er keine Schuld trägt, im Gegenteil, er ist die Persönlichkeit, die nicht aufgibt, auch unter unmenschlichen Bedingungen weitermacht, nicht ausweicht, sondern genau dort, mitten in der Scheisse, versucht das Beste daraus zu machen. Wenn ich könnte, ich würde. Ich würde das politische Umfeld ändern. Europäische Politiker, nicht alle, begrüssen Menschen in Not. Wir brauchen euch, um unsere (vermeintliche)Wohlfahrt zu erhalten. Sie lassen durchblicken, wir haben ein gutes Herz und wir haben Geld. Kommt nur rüber, packt eure Problem zusammen und bringt sie her, gegenteilig zu den Lehren einer guten Managerschule. Dann prügelt ihr sie mit Paragraphen und auch Stöcken. Ich würde, wenn ich nur könnte! |
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September 2023
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